Heimatkunde zum trinken: Der BLANKENESER Gin

Nur fünf Minuten nach Beginn des Interviews denke ich: “Shit! Soll ich ich jetzt tatsächlich über den Gin schreiben – oder doch lieber über die Frau dahinter!?” Denn schnell wir klar: Sowohl das Produkt als auch dessen Erfinderin haben viele spannende Geschichten zu erzählen. “Nun gut, dann eben über beides”, fällt schnell mein Entschluss.

Sabina Pech ist viel herumgekommen in Ihrem Leben. “Angekommen”, wie sie es ausdrückt, ist sie schließlich in Blankenese. Aufgewachsen sei sie zwar in Westen Hamburgs, jedoch lange weg gewesen. Nach Stationen u.a. in den USA, London, Paris und München lebt sie mittlerweile im Treppenviertel mit Blick über die Elbe. Und die Fine Blankeneser Goods GmbH, die hinter dem BLANKENESER Gin steht, ist ein waschechtes Garagen-Startup in einem Blankeneser Hinterhof. Dort werden die Flaschen nach wie vor von Hand etikettiert und verpackt.

Aber nicht nur geografisch ist Pech viel unterwegs gewesen, auch beruflich gab es die unterschiedlichsten Stationen. “Film, Fotografie, Kostümbildung, schließlich Ausstellungsdesign”. Das Ausleben ihrer kreativen Ader fehlte Pech nach ihrer Rückkehr an die Elbe jedoch zunächst. Denn hier arbeitete sie nun in einem zwar anspruchsvollen, aber doch trockenen Job. Schnell war ihr klar: Ich will meine eigene Produktlinie kreieren – mit direktem Bezug zum Sehnsuchtsort Blankenese.

Am naheliegendsten war am Anfang das Thema Mode. “Ich habe schon immer viel genäht” erzählt die hochgewachsende Gründerin. “Denn oft habe ich keine schönen Stücke in meiner Größe gefunden”.  Der erste Gedanke: Eine Fashion-Linie, die sich von den urtümlichen Blankeneser Trachtenmoden inspirieren lässt. Doch bald wird die Idee wieder verworfen. Zu hoch die Eintrittsbarrieren und zu groß das unternehmerische Risiko aufgrund der heute üblichen “Retouren-Mentalität”.

Voller Tatendrang: Sabina Pech

Beim Blick über die Elbe hinaus ins Alte Land dann die nächste Eingebung: Ein regionales Getränk, ein Calvados vielleicht. Doch das Produkt sollte ihr auch selbst gut schmecken (“Eat your own dog food” sagt man auch unter Gründern) und Calvados, gesteht sie, sei nicht so ihr Ding. Gesucht war zudem ein Mainstream-fähiges Getränk, da es sich auch als Geschenk bzw. Mitbringsel eignen sollte. Schließlich fiel die Wahl auf Gin.

Das Produkt soll ausdrücken, für was Blankenese steht

Gegensätze, sagt die Self-Made-Produktentwicklerin auf die Frage, für was die Marke “Blankeneser” stehen soll. Denn diese machen für Pech diesen Ort zu dem, was sie daran liebt. Und nennt als Beispiel die vielen kleinen Fischerhütten im Elbhang im krassen Gegensatz zu den riesigen Herrenhäusern weiter oben am Berg. Oder die plötzlichen Wetterumschwünge, die aus dem südlichen Flair im Treppenviertel schnell ein isländisches werden lassen. Und schließlich den “Tidenkipp”: Wenn die hin- und rückläufigen Gezeitenwasser der Elbe sich vor Blankenese treffen, dann wühlt dies den Strom sichtbar auf, das Wasser “kocht”.

Diese Gegensätze versuchte Pech in die Entwicklung der Rezeptur einfließen zu lassen. So stellte sie dem für Gin substanziellen Wacholder als Gegenpol Koriander gegenüber. Beim probieren schmeckt man aber zuallererst den Ingwer heraus, der mit seiner süßen Schärfe ebenfalls ungwohnt, gleichwohl angenehm daherkommt. Weitere Gewürze, die Pech vor allem aus der asiatischen Küche zu schätzen gelernt hat, komplettieren die einzigartige Zusammenstellung.

Auch ein Gegensatz: ERST die Markenanmeldung, DANN das Produkt

Alle Motive werden liebevoll per Hand vorgezeichnet

Eigentlich geht es ja anders herum: Man entwickelt erst ein Produkt und meldet es dann als Marke an. Genau diese hatte Pech allerdings bereits im Jahr zuvor eintragen lassen – ohne schon genau zu wissen, welches Produkt als erstes entstehen soll.

Doch als die Produktidee stand ging sie parallel zur Rezepturentwicklung die Gestaltung der Flaschenlabels an. Hier erwies sich Pechs künstlerisches Talent als Glücksfall. (“Ich war in der Schule nur in zwei Fächern gut: Sport und Kunst”)

Aber erst ein Bedienfehler des Bildbearbeitungsprogramms rundete ironischerweise das Ergebis dann richtig ab: Die selbstgezeichneten Sehenswürdigkeiten (mittlerweile gibt es über 20 verschiedenen Motive) wollte Pech am Computer nachbearbeiten, doch dadurch entstanden ungewollt markante weißen Flächen an verschiedenen Stellen des Entwurfs. Das zufällig entstandene Ergebnis gefiel ihr so gut, dass Pech es dabei beließ und künftig bewusst einsetzte.

Eine weitere Besonderheit: Auf den Rückseiten der Labels findet sich eine Beschreibung des jeweiligen Motivs. Dreht man die Flasche und schaut durch sie hindurch, so kann man die informativen Kurztexte lesen.

Damit werden die Flaschen quasi “Heimatkunde zum trinken”.

Auf der Rückseite der Etiketten findet sich die Motiv-Beschreibung

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Zunächst aber galt es einen Destillateur zu finden, der sich der Aufgabe stellen würde, diesen besonderen Gin zu produzieren. Die Wahl fiel schließlich auf den vielfach ausgezeichneten Fabian Rohrwasser von der “Feingeisterei” Destillerie auf Gut Basthorst.

Doch so leicht war anfänglich nicht an ihn heranzukommen. Ein Jahr lang versuchte es Sabina Pech immer wieder über alle möglichen Kanäle – ohne je eine Antwort zu bekommen. Dann, eines Morgens, hatte sie Rohrwasser auf einmal jedoch direkt am Apparat. “Ich war so verdutzt, dass ich erst einmal anfing zu stottern”, erzählt Pech mit einem Lachen heute. Doch der Destillateur war sofort von Marke und Rezeptur überzeugt und ab da ging alles ganz schnell. Nur wenige Wochen nach dem Telefonat war die erste Charge gebrannt und abgefüllt.

Eine erste öffentliche Verkostung sollte nun zeigen, ob sich der Aufwand gelohnt hatte.

“Ich habe die beste Zeit meines Lebens”

Sabina Pech nimmt man ihre Begeisterung für ihre Wahlheimat sofort ab. Aber die Liebe zu Blankenese wäre beinahe auch zum Stolperstein für den Blankeneser Gin geworden. Denn, so gesteht Pech, am Anfang hätte die Sorge sie gebremst, dass die Blankeneser sich durch die Namensgebung vielleicht ungewollt vereinnahmt fühlen würden.

Eine Auswahl der mittlerweile über 20 erhältlichen Motive

Diese Angst war, wie sich schnell herausstellte, völlig unbegründet. Bereits die erste Verkostung im Bistro Riva war ein voller Erfolg, der Zuspruch von allen Seiten groß. Noch am nächsten Tag nahm ein neu gewonnener Fan eine Flasche mit nach Sylt. Dort präsentierte er sie einem befreundeten Gastronomen und promt folgte ein Anruf mit der ersten Bestellung. Und dabei sollte es nicht bleiben. Binnen kürzester Zeit meldeten sich Einzelhändler aus allen Teilen Hamburgs und wollten die toll gestalteten Flaschen ins Sortiment nehmen.

Entsprechend tatendurstig ist Sabina Pech – und wir dürfen gespannt sein, welche weiteren Produktlinien evtl. demnächst das Licht der Welt erblicken. Mehr als Andeutungen sind ihr allerdings derzeit nicht zu entlocken.

Eine Liste aller Läden, wo man den “Blankeneser” kaufen kann, findet sich auf der Website www.fineblankenesergoods.com. Dort kann man den Gin auch direkt online bestellen.

Wir sagen: A votre santé, Blankenese!